Von der Herausforderung, zu verstehen: Austauschreise nach Nahost
Ein Bericht über die Austauschreise des Geschichtsprofils (S2) nach Palästina.
„Die Angst, die Wut und die Sorge der Palästinenser verstehe ich. Warum das deutsche internationale Abitur in Palästina so wichtig ist, verstehe ich. Wie wichtig Familie ist, verstehe ich. Wieso Deutschland Palästina nicht anerkennt, verstehe ich nicht. ABC* verstehe ich nicht.“ Julia K., 18 Jahre
*Gemäß dem Oslo-Interimsabkommen sind die besetzten Gebiete Palästinas in die Zonen A, B, C eingeteilt.
Eine besondere Erfahrung war der diesjährige Nahost-Austausch des Geschichtsprofils trotz und wegen der aktuellen politischen Situation in Israel und Palästina im Oktober 2015 für die gesamte Gruppe – Schülerinnen und Schüler, Lehrer/innen und auch für die Eltern. Besonders war der Aufenthalt in Nahost auch deswegen, weil die Schüler/innen nicht nur in palästinensischen, sondern erstmalig auch in israelischen Familien zu Gast waren. Der viertägige „Seitenwechsel“ in die israelische Realität forderte alle beteiligten Jugendgruppen – deutsche, israelische und palästinensische – auf, die unterschiedlichen Perspektiven anzuerkennen. Schwierig genug! Doch ein solcher Verstehensprozess hat faszinierende Seiten.
„Ein sehr schönes Erlebnis für mich war die Feier des Schabbats in der Familie unserer israelischen Austauschpartner. Es hat mir gezeigt, wie schön Religion sein kann. Das gemeinsame Singen der Familie hatte etwas an sich, das jeden am Tisch verband.“ Hannah M., 18 Jahre
Zugleich konfrontierte der Aufenthalt in West-Jerusalem uns auch mit den Grenzen des Verstehens.
„Nachdem wir durch den Tunnel fuhren, der von Palästina nach Israel führt, sah vieles ganz anders aus. Am ersten Tag wusste ich nicht wirklich, was ich denken oder fühlen sollte. Confusion. Erst in den folgenden Tagen habe ich für mich persönlich bemerkt, dass es vielleicht das einzig Richtige ist, in einem „Gefühlschaos“ zu sein. Es ist so, dass mir der Einblick in die „andere Seite“ gezeigt hat, dass das Leben ein bunt gemischtes Chaos sein kann. Israelis leben anders als Palästinenser, Palästinenser leben anders als Deutsche, Deutsche leben anders als Türken und trotzdem ist es sehr wohl möglich, zusammenzuleben.“ Rumeysa Y., 18 Jahre
Das hohe Maß an Flexibilität aller Beteiligten ermöglichte uns natürlich auch „Klassiker“ zu besuchen und zu erleben, wie das Herodion, Masada, das Bad im Toten Meer, das Kloster Cremisan, Tel Aviv, Jaffa und die Geburtskirche in Bethlehem. Ein besonderes Highlight war die Olivenernte auf dem Ölberg Jerusalems der über 100 Jahre alten Olivenbäume aus den Gründungszeiten Talitha Kumis. Ein Tag meditativer Arbeit in den Oliven für uns, für die Schulgemeinde Talithas jedoch die Möglichkeit, ihre Oliven überhaupt zu ernten.
„Hier in Palästina gibt es ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl. Alle halten zusammen, sind freundlich, hilfsbereit, kontaktfreudig… und das schätze ich sehr. Egal, ob in meiner Gastfamilie oder im Freundeskreis meiner Gastschwester, ich fühle mich überall willkommen, und ich glaube in Deutschland kenne ich so etwas nicht in diesem Ausmaß.“ Larina H., 18 Jahre
Wenn dieses schulische Projekt einen Beitrag dazu leistet, dass Jugendliche sich der lebenslangen Herausforderung stellen, sich nicht mit einfachen Antworten zufrieden zu geben, dann ist etwas gelungen, worauf Bildung im besten Sinn abzielt.
„Offen gesprochen, verstehe ich wenig. Eigentlich fast nichts. Natürlich verstehe ich die ABC-Zonen besser. Ich verstehe, was diese bedeuten, bzw., wie diese aussehen. Ich verstehe, wie der Widerstand der Palästinenser gegen die Israelis aussieht. Ich verstehe, warum die Palästinenser in Deutschland so unglaublich laut waren. Doch was ich trotzdem nicht verstehe, ist, wie sich ein Palästinenser fühlt. Wie sich ein Israeli fühlt. Und warum auf menschlicher Ebene wenig Verständnis zwischen den Parteien vorherrscht.“ Niklas F., 18 Jahre
Wir, das Pädagogenteam, schließen uns der Einschätzung von Elternseite an: „Wir sind sehr beeindruckt, wie reflektiert und besonnen die Erlebnisse berichtet werden!“
Vielen Dank für diese intensive und erlebnisreiche Reise durchs „Heilige Land“ sagen: Maike Bartl, Kristina Wiskamp (GymFi) und Marco Beermann (STS)
Zitiert wurden die Schüler/innen des Geschichtsprofils (S2).
Besonderer Dank gilt der Begegnung. Stiftung Deutsch-Palästinensisches Jugendwerk, der Udo Keller Stiftung, der Joachim Herz Stiftung, dem Berliner Missionswerk und der Behörde für Schule und Berufsbildung (BSB) Hamburg für deren Fördermittel.
https://www.gymfi.de/wp/unterricht/schuleraustausch/beit-jala-palastina/