Der Untertan – Aus gegenwärtiger Perspektive
Autorität und Gehorsam, so lautet der Titel eines Hamburger Abiturthemas und der aktuellen Ausstellung des Buddenbrookhauses über den satirischen Roman „Der Untertan“, den Heinrich Mann 1914 verfasst, aber erst 1918 veröffentlichen konnte. Die Ausstellung geht neben der Präsentation „typischer“ Ausstellungsstücke zur Zeit des deutschen Kaiserreichs wie Pickelhaube und antisemitischen Bierkrügen der Frage nach, was uns der Text heute noch zu sagen hat.
Besonders dabei ist, dass Schülerinnen unterschiedlicher Schulformen und Jahrgänge an der Gestaltung der Ausstellung beteiligt wurden. Wir, Sajda (Jg. S3) und Frau Bartl, waren als Gewinnerin eines Schreibwettbewerbs bzw. als begleitende Lehrerin zur Ausstellungseröffnung eingeladen. Die Vernissage fand am Anfang September in den sehr schönen Räumlichkeiten des Lübecker St. Annen Museums statt. Dort ist die Ausstellung aufgrund der Baumaßnahmen am Buddenbrookhaus bis Ende März kommenden Jahres zu sehen.
Nach einem Grußwort durch den Bürgermeister des Hansestadt Lübeck, zitierte der Landesbeauftragte für politische Bildung Schleswig Holstein, Dr. Christian Meyer, in seinem einführenden Vortrag Heinrich Mann: „Demokratie ist im Grunde die Anerkennung, dass wir, sozial genommen, alle füreinander verantwortlich sind.“ Er betonte somit die Bedeutung einer Teilhabe der Bürger:innen an gesellschafts-politischen Fragen für eine funktionierende Demokratie. Dass so viele Ideen und Produkte von Schüler:innen in die Ausstellung eingegangen seien, wertete er als Ausdruck einer solchen Beteiligung. In einem Podiumsgespräch sprach Prof. Dr. Ute Fevert (HU Berlin) mit der Leiterin des Buddenbrookhauses, Frau Dr. Birte Lipinski.
Die Ausstellung selbst wird mit unserem Ausstellungsfilm, in dem auch Sajda zu sehen ist, eröffnet. Aufgabe des Schreibwettbewerbs war es, einen informierenden Text den „Untertan“ zu verfassen und dabei das eigene Wissen, wie auch bereitgestellte Materialien zu verwenden. An dem Wettbewerb nahmen auch Schüler:innen der Stadtteilschule und des Gymnasiums Finkenwerder teil. Als eine von vier Gewinner:innen aus insgesamt über 600 Einsendungen durfte Sajda bereits im Mai zum ersten Mal nach Lübeck zum Filmdreh reisen. Der dort aus allen vier Gewinnertexten entstandene Film gibt einen Überblick über Themen des Romans wie Untertanenmentalität, Antisemitismus, Geschlechterrollen und sozialer Ungleichheit. Teil des Gewinns ist außerdem – neben der Einladung zur Vernissage – ein Ausstellungsbesuch für unseren gesamten Deutschkurs.
In der Ausstellung stellt zahlreiche Bezüge zur heutigen Zeit her. So thematisiert ein Raum das Thema Arbeit. Im Mittelpunkt stehen dabei einerseits die Papierfabrik Diederich Heßlings, der Hauptfigur des Romans, sowie die Darstellung von typischen Arbeitsbedingungen um 1910. Gleichzeitig stellen Fakten oder Schlagzeilen zu heutigen Konzernen einen Bezug zur Gegenwart und zu unserem Konsumverhalten her. Hier, wie auch in anderen Räumen, werden Zitate auf Bannern oder Spiegeln präsentiert und so eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen direkt angeregt. Im Zentrum der Ausstellung steht eine Nachbildung des „Ratskellers“, einer Kneipe, in der im Roman wichtige Akteure zusammenkommen und hitzig über politische Fragen diskutieren. An der Wand hängt eine aktuelle Ausgabe der „Netziger Nachrichten“, in der Schüler:innen Stellung zu Themen des Romans, wie Sexismus, Hasssprache und Verschwörungsideologien beziehen. Für die letzten beiden „Krankheiten“ werden in der ausgestellten Apotheke des Dr. Heuteufel Medikamente angeboten. So verspricht das Medikament „Claritas Mentis“: „Verschwörungsglaube ist heilbar!“ Risiken und Nebenwirkungen? „Erstverschlimmerung möglich, gefolgt durch schmerzhafte Erschütterung des eigenen Weltverständnisses bis hin zur vernunftbasierten Wahrnehmung“. Wir freuen uns auf den Ausstellungsbesuch im Dezember!
Fr. Bartl und Sajda (Jg. S3)